Vom Gipfel des Großen Arber, dem höchsten Berg auf der Route des Goldsteigs, schweift der Blick weit übers Land. Bis zum Horizont wellen sich die grünen Hügel, Urwälder aus Fichten, Tannen und Buchen, in Tälern glitzern Bergseen, glatt wie Glas. Ein tiefer Atemzug und die klare Waldluft flutet die Lungen, weckt das Herz, streichelt die Seele. Hier oben, auf dem Grünen Dach Europas, ist die Freiheit grenzenlos.
Da unten, auf den Wanderwegen, auch: Der Goldsteig ist international. Der längste und vielfältigste Qualitätswanderweg Deutschlands hat Zuwachs bekommen: Im Juni 2018 eröffnete der „Zlatá Stezka“, der tschechische Goldsteig. Er verläuft parallel zur Nordvariante und ist mit dem deutschen Teil durch historische Pfade zwischen Bayern und Böhmen verbunden, die nun ins Goldsteig-Wegenetz integriert wurden: der Baierweg, der Böhmweg, der Gunthersteig und der Goldene Steig mit der Prachatitzer Route.
Grenzenlos wandern, von der Donau bis in den Böhmerwald! Zu den 660 Wanderkilometern des bayerischen Goldsteigs kommen nun die 289 Kilometer des tschechischen Bruderwegs. Mit Zubringerwegen, Querverbindungen und Alternativrouten ist ein über 2.000 Kilometer langes, internationales Wanderwegenetz mit 13 Grenzübergängen entstanden. Neben Fernwanderungen sind auf vielen Etappen auch Rundtouren oder Sternwanderungen möglich, wodurch sich der Goldsteig auch an Wochenendausflügen erkunden lässt. Es wächst zusammen, was zusammen gehört. Die Grenzen, gezogen von Staaten, die Gräben, gerissen von der Geschichte – in der Natur haben sie nie existiert. Der Bayerische Wald, Deutschlands ältester Nationalpark und einziger Urwald, ist tief verwachsen mit dem Nationalpark Šumava auf tschechischer Seite. Gemeinsam bilden die beiden Parks das größte zusammenhängende Waldgebirge Mitteleuropas. Ein Naturparadies im Herzen des Kontinents, ursprünglich und wild. Die alten Römer nannten den Wald eremus Nortwald, den „menschenleeren Nordwald“. Sie hielten ihn für undurchdringlich, hier endete ihr Reich. Heute ist die Region von einem Netz aus Wanderwegen durchzogen, die Pfade führen durch verwunschene Wälder, unberührte Hochmoore, wilde Flusstäler. Durch die letzten Refugien von Luchsen, Wölfen und Rothirschen, Auerhähnen und Birkhühnern.
Fünf Naturparks quert der Goldsteig auf seinem Weg durch Bayern (Naturpark Steinwald, Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald, Naturpark Oberpfälzer Wald, Naturpark Oberer Bayerischer Wald, Naturpark Bayerischer Wald). Von Norden aus wandernd, geht es über den Burgenweg ins „Land der 1000 Teiche“, die älteste Teichlandschaft Europas. Dann teilt sich der Goldsteig in zwei Routen: die bergige Nordvariante (274 km) und die gemäßigte Südvariante (240 km). Am Ende vereinen sich die beiden Wege in der Dreiflüssestadt Passau zu einem großen Rundweg. Parallel zum gemeinsamen, nördlichen Teil der Strecke verläuft der Nurtschweg (140 km), eine Alternativroute, von der weitere Querverbindungen zum tschechischen Goldsteig abzweigen.
Überall auf dem Goldsteig und seinen Zuwegen umweht einen der Hauch der Geschichte. Sonnenstrahlen brechen durch Baumkronen und werfen Licht auf die Vergangenheit. Wanderer begeben sich auf die Spuren von Kelten und Choden, Händlern und Goldwäschern, Schmugglern und Heiligen, die auf dem Weg von der Donau nach Böhmen Schneisen in den Wald schlugen. Was die meisten trieb, war der Handel mit Salz, oder wie man es im Mittelalter nannte: das „weiße Gold“ – daher der Name des Goldsteigs. Doch auch goldführende Bäche und echte Silberminen gab es einst in Ostbayern.
Wandern auf dem Goldsteig macht bewandert: Burgruinen erzählen von den Herrschern vergangener Epochen. Im Sudetenland zeugen moosüberwucherte Mauerreste von den dunklen Tagen der jüngeren Geschichte. Doch auch erhaltene Schlösser und Festungen säumen den Weg. In prächtigen Städten und urigen Dörfern leben Traditionen bei Festen, Konzerten und Freilichtspielen neu auf. Gleich mehrmals kreuzt der Goldsteig die Glasstraße, eine Ferienstraße, an der man in Glashütten, Museen und Galerien die alte Kunst der Glasherstellung bewundern kann.
Immer wieder laden am Wegesrand die Holzmöbel des Goldsteigs zur Rast: rund 70 Sonnenliegen, Bänke, Sitzgruppen und Unterstände. Ein einheitliches Informationssystem weist mit Schautafeln und Karten auf touristische Attraktionen und Einkehrmöglichkeiten hin. Ein Netzwerk herzlicher Gastgeber, die Ge(h)nuss-Partner, umspannt den Goldsteig: Die Übernachtungsmöglichkeiten reichen von der Jugendherberge bis zum Wellnesshotel. In gemütlichen Gaststätten werden regionale Spezialitäten serviert: Schweinebraten und fangfrischer Karpfen, Erdäpfel-Kas und dazu ein Zoigl, das untergärige Kultbier der Oberpfalz.
Ausruhen, auftanken – und dann weiter! Rucksack schultern – oder ihn per Gepäcktransfer transportieren lassen – und auf zur nächsten Etappe. Der Berg ruft! Die Südvariante des Goldsteigs bietet atemberaubende Fernsichten, an klaren Tagen sieht man bis zur Alpenkette. Die Nordvariante, entlang des Kamms, führt auf einer einzigen Etappe über acht Tausender: eine langsame, dramatische Steigerung vom Mühlriegel (1.080 Meter) bis zum Höhepunkt des Goldsteigs, dem Großen Arber (1.456 Meter). Von dessen vier Gipfelfelsen blickt man in alle Himmelsrichtungen, über Hügel, Wälder und Bergseen bis weit nach Böhmen. Noch ein tiefer Atemzug der klaren Waldluft, und weiter geht’s, auf dem Goldsteig, dem Grünen Dach Europas, wo die Freiheit des Wanderers grenzenlos ist.
Quelle: sonnenklar.TV und goldsteig-wandern.de